Der nächste Tag führt uns zentraler auf die Insel. Unser Plan ist es ein paar Trails abzufahren und dann unsere Nachzügler am Flughafen in Empfang zu nehmen. Wir parken an den Caldeira Velha und fallen unter den anderen Touristen sofort auf. Während alle anderen mit Flipflops und Badeklamotten bewaffnet die Caldeiras, warme Termalbecken im grünen mit natürlichen Wasserfällen besuchen, laden wir im Nieselregen unsere Bikes vom Pickup.
Nach einem kurzen Uphill stehen wir dereits am Traileinstieg und sind erstmal wenig beeindruckt: Es sieht aus als hätten Rodungsarbeiten den Trail komplett zerstört. Doch wir täuschen uns. Nach den ersten beiden ausgespülten Kurven tut sich vor uns ein weiterer handgebauter Trail auf: Gebaute Anlieger, kleiner Drops uns Sprünge führen uns von der offenen Waldfläche zurück in den Dschungel und wir tanzen auf unseren Bikes zurück ins Tal. Bellissimo! Zurück am Auto erreicht uns die Nachricht, dass sich Konsti und Debo in Frankfurt frustriert mit einer Verschiebung ihres Flugs abfinden müssen und sie erst einen ganzen Tag später ankommen werden. Wir beschließen, dass wir diese Nachricht erstmal mit ein paar Shuttel-laps verdauen müssen: Abwechselnd shutteln wir uns noch 3 mal die Passstraße bis zum Traileinstieg nach oben und verbessern mit jeder Runde unsere Zeiten auf der gebauten Downhillstrecke. Leider wird der Regen zusehends stärker und wir beschließen daher auch für den Rest des Tages beim bewährten Shuttle-Prinzip zu bleiben und nachmittags die Trails vom Gipfel des Barrosa in Richtung Süden in Angriff zu nehmen.
Der Barrosa zählt mit seinen 950m Höhe zu den höheren Gipfeln der Insel. Was ihn allerdings viel mehr auszeichnet sind einerseits seine freistehende Lage, relativ zentral auf der Insel, und die damit verbundene Aussicht über einen Großteil der Insel, als auch andererseits die Pass-Straße die fast direkt auf den Gipfel führt und ihn so für viele Touristen zu einem leicht erreichbaren Ausflugsziel macht. Von beiden, also Aussicht und Touristen sehen wir allerdings wenig. Wir stehen im ströhmenden Regen am Gipfel und sehen im Nebel keine 20 Meter über unsere Lenker hinaus. Max und Liz drehen die ersten Runde vom Gipfel während ich am Weg zum vereinbarten Treffpunkt die Sitzheizung unseres Autos ausprobiere. Geschlagene zwei Stunden später erst stehen die beiden wieder vor mir und einzig die 30cm Größenunterschied der beiden hilft mir dabei die beiden Matschgestalten voneinander zu unterscheiden. Die beiden sind von Kopf bis Fuß mit Schlamm und Matsch bedeckt, gleichzeitig komplett durchnässt und nur mehr mittelgut gelaunt. Sie erzählen von der Sintflut, rutschigen Trails im abschüssigen Gelände und dass sie sich Steigeisen gewünscht hätten, um wenigstens halbwegs sicher bergab schieben zu können. Klingt wundervoll! Bei diesem lebhaft vorgetragenen Abenteuerbericht liegt natürlich meine Entscheidung nah: Das will ich auch!
30Minuten später setzen mich die beiden – zurück am Gipfel – zurück im Starkregen – wieder keine Aussicht – unter Kopfschütteln an der Straße ab. Angesichts der Wetterbedingungen zweifeln die beiden ein wenig an meiner Entscheidungsfähigkeit und sind sichtlich besorgt als ich allein im Regen-Nebel Gemisch verschwinde.
Die Abfahrt führt mich auf einem Rücken entlang nach Süden und der Trail ist bestenfalls als Wiesendownhill zu bezeichnen. Das Problem daran ist nur, dass sich der Trail zu gefühlten zu 80% einen halben Meter unterhalb der Wiese befindet und ich in einer nicht enden wollenden rut dem Meer entgegen schlittere. Zwar habe ich abwechselnd Pedalaufsetzer links und rechts, dafür ist die Wegfindung denkbar einfach, im Regen sehe ich vor lauter Matsch und Dreck im Auge ohnehin kaum mehr etwas. Wunderbar. Und auch ein bisschen dumm.
Der Weg wandelt sich dankbarerweise bald in einen wirklich groben Forstweg, der bestenfalls eingefleischten 4×4 Fans noch Freude bereiten würde und ich schaffe es langsam aus der Regenwolke herauszufahren. Das sei eine Besonderheit der Insel erklären uns später Einheimische: Irgendwo auf der Insel sind immer alle 4 Jahreszeiten gleichzeitig vorhanden. Ich biege in einen Wanderweg ein und bin überrascht wie abwechslungsreich eine Trailabfahrt auf der Insel sein kann. Auf einmal finde ich mich in feinsten XC Gelände wieder und vergesse fast wie durchnässt ich bin. Mehrere Flussquerungen helfen mir dabei unter dem Schlammhaufen, auf dem ich sitze wieder ein Fahrrad zu finden und ein paar Schlammrutschen später rolle ich völlig paniert aber glücklich an der Strandbar vor, wo sich Max und Lizzie die Wartezeit mit einer Cerveja verkürzt haben.
Solo Trailabfahrt im absoluten Survival-Modus auf einer Tropischen Insel bis ans Meer – check! Damit kann ich ein weiteres fragwürdiges Life-goal abhaken.