Sospel – Unterschätze Enduro Destination am Mittelmeer?
Ganzjährige MTB-Destination
Gefühlt geht die Bike Saison jedes Jahr eher los, denn mit einigen neuen Events und Terminen wird die Lust auf sonnige Abfahrten in den Bergen immer früher in unseren Köpfen geweckt und so sollte es auch dieses Jahr für uns sein. Als Guides stand der erste offizielle Termin der noch jungen Saison für uns Ende März auf dem Plan, ein Test Event in Finale Ligure. Es könnte uns definitiv schlechter treffen…
Da Arbeiten bei dem Event nur von Donnerstag bis Sonntag gefordert war und wir noch einige Tage Urlaub eingeplant hatten, ging es für uns am Montagmittag los Richtung Ligurien. Mit dem Gedanken mal wieder eine neue Destination in der Gegend kennen zu lernen, wollten wir uns spontan entweder zwischen dem italienischen San Remo oder dem französischen Sospel entscheiden.
Bekannt durch die Trans Provence und das Pressecamp eines namenhaften Radherstellers war Sospel schon mehrmals in unserem Kreise im Gespräch gewesen, nur leider hatte es sich bisher nicht ergeben dem Örtchen einen Besuch abzustatten, was sich aber nun ändern sollte.
Die Anreise
Den meisten Mountainbike Begeisterten sollte der Weg nach Finale Ligure kein unbekannter sein und nach einer kostspieligen Mautreise durch die Po Ebene auf den üblichen Auto Stradas nehmen wir aber nicht die bekannte Ausfahrt, sondern folgen der Autobahn weiter nach Frankreich. Kurz vor Monaco liegt der Küstenort Menton und markiert die Ausfahrt nach Sospel. Von hier aus sind es noch rund 30 Minuten auf kurvenreichen Landstraßen ins Landesinnere, wo dann der beschauliche, altertümliche Ort, umringt von Bergen, in den Alps-Maritimes liegt.
Tag 1 – Erkundungstour auf französischen Passstraßen
Angekommen in Sospel nutzen wir den lokalen Camperstellplatz, direkt neben dem Sport- und dem Campingplatz des Ortes und suchen noch schnell etwas zu essen bevor es zurück in den Bus geht und die Bike Karten für den nächsten Tag studiert werden.
Der nächste Morgen startet etwas später und gemütlicher da die Temperaturen noch nicht recht einladend sind. Somit beschließen wir dem Ortskern einen kurzen Besuch abzustatten und die Nähe zu Italien für einen guten Café zu nutzen jedoch haben um diese Jahreszeit nur wenige Bars überhaupt geöffnet. Am Dorfplatz werden wir schließlich fündig, genießen einen schnellen Dopio, während die Rentner des Orts bereits um halb 10 beim ersten Bier sind. Wie war das noch gleich mit Gott in Frankreich?!
Gestärkt mit frischen Croissants warten nun 12km Asphaltstraße auf uns. Die Landstraße D2204 zieht sich dabei mit moderater Steigung dahin und Konstantin, ganz ehemaliger Roadie, gibt ein ordentliches Tempo vor, sodass wir die rund 600hm zum Col du Brouis in Bestzeit hinter uns bringen.
Am Col angekommen biegen wir nach unzähligen Serpentinen auf die Schotterstraße ein und folgen der in Frankreich typischen sehr guten Mountainbike Beschilderung zum Startpunkt des Trails, welcher auf einem langgezogenen Rücken liegt von wo aus man in der Ferne das Mittelmeer erkennen kann.
Der Basséra Valley Trail startet zunächst recht moderat auf dem Rücken und mit mäßigem Gefälle geht es recht flott auf steinigem und schottrigem Untergrund dahin. Nach wenigen Meter stellt sich bereits das bekannte Flow Gefühl ein und wir treiben uns mit Ausrufen der Freude zu immer neuen Geschwindigkeiten an.
Nach rund 2 Kilometern erreicht man eine große Weggabelung und man hat nun die Möglichkeit dem Rücken weiter auf dem Panoramic Trail zu folgen der dann im Nachbartal mündet oder sich rechts zu halten und auf den eigentlichen Basséra Trail abzubiegen. Ab diesem Punkt wird der Trail dann auch schwieriger.
Nach einem kurzen Uphill geht es dann auch gleich ganz anders zur Sache. Das Gefälle bleibt zwar moderat, aber ein sehr langer Rockgarden wartet nur drauf von uns bezwungen zu werden, bevor der Trail dann in den Wald abbiegt.
Im Wald angekommen trifft man nun auf unzählige, teilweise sehr enge und steile Spitzkehren, die aber auch für weniger technisch versierte Fahrer bzw. Racer die gute alte French-Line aufweisen. (Anmerkung: French-Line, die; eingefahrene Abkürzung im Kurveninneren um die Strecke zwischen den Punkten A & B schnell zu überbrücken)
Kurz bevor man den Talboden erreicht, windet der Trail sich dann wieder sehr flowig und mit kurzen Gegenanstiegen dahin. Am Ende angekommen trifft man wieder auf eine Straße zurück nach Sospel. Hier gilt es auf die kleinen Schilder zu achten, denn so kann man parallel zur Straße den Trailanteil maximieren!
Zurück in Sospel suchen wir wieder erneut eines der klassischen Cafés am Dorfplatz auf und stärken uns mit einem orginal französischen Baguette, belegt mit reichlich guter französischer Salami und Käse. Abgerundet wird das Ganze mit einem Espresso und mit aufgeladenen Reserven steht der zweit Trail des Tages auf dem Programm.
Diesmal geht es auf den direkt angrenzenden Hausberg von Sospel und wir folgen wieder den Beschilderungen hinauf Richtung Mt. Grosso. Zunächst windet sich die Straße recht steil den Berg hinauf durch die Ausläufer der Ortschaft, bevor man einen Bergrücken erreicht, auf dem es dann gemütlich bis zum Traileinstieg (Trailguide: Mont Agaisen) geht.
Die Sonne geht jahreszeitbedingt schon langsam über den umliegenden Bergen unter wir beeilen uns noch im letzten Licht den Trail genießen zu können. Der Trail ist am Anfang zum Teil mit gebauten Anliegern und Sprüngen versehen und verschiedene Abzweigungen bieten eine freie Linienwahl. Das macht natürlich noch mehr Spaß! Nach dem ersten Drittel muss man jedoch aufpassen den Abzweig nicht zu verpassen, denn sonst folgt man einem Alternativtrail ins Tal.
Unser Ziel ist nach einem kleinen Anstieg schnell erreicht, eine der unzähligen Bunker und Befestigungsanlagen hoch über Sospel. Kurz schauen wir noch einer Gruppe Paraglideneulingen bei ihren ersten Manövern zu, jedoch müssen wir zusehen nicht komplett im Dunklen den Trail zu erreichen.
Ab der Festung wird der Trail wieder zu einem klassischen Wanderweg mit steilen Passagen und engen Kurven, die teilweise aufgrund des Laubs und des losen Untergrunds recht rutschig ausafallen.
Angekommen im Nachbartal überwinden wir ein altes Holzgatter und ein Forstweg bringt und wieder in Richtung Sospel. Der letzte Teil des Weges ist dann ein enger, sehr spaßiger alter Karrenweg und mit genug Voraussicht beim Fahren kann man hier das Gas noch mal so richtig stehen lassen.
Tag 2 – neue Bekanntschaften
Am zweiten Tag werden wir von einer fast schon sommerlichen Hitze im Bus geweckt, was aber mit Öffnen der Schiebetür schnell erledigt war. Wir hatten einfach nur Vergessen den Timer der Standheizung zu stellen…
Über Nacht haben wir auf dem sonst recht einsamen Stellplatz Gesellschaft von einem belgischen Paar mit ihren zwei Hunden bekommen und beim ersten Cafe im Freien stellt sich heraus, das Nick ebenfalls Mountainbiker ist und sich gerade mit seiner Freundin auf einem kleinen Europa-Bike-Roadtrip befindet und dabei ist seinen eigenen YouTube Kanal zu starten.
Einige Streicheleinheit mit Nick’s Husky später machen wir uns los auf einen weiteren der angrenzenden Berge. Der Trail unserer Wahl für heute ist der Pope of Rally und eine Erweiterung über den Mont Barbonnet bis ins Tal.
Bevor aber feinster französischer Rumpelflow auf uns wartet gilt es zunächst 800 Höhenmeter auf den Col de Braus aus eigener Muskelkraft zu bewältigen. Die Straße ist versehen mit unzähligen Gummistreifen und Reifenteile lassen erahnen, dass hier die ein oder andere Kurve in ordentlicher Rallyemanier gern mal quer genommen wird.
Angekommen am Col de Braus biegen wir auf den Forstweg ab und weitere 100 Höhenmeter später erreichen wir ein Hochplateu. Einige Fotos und Instastories später starten wir dann aber endlich los in Richtung Tal.
Zunächst geht der Trail wieder sehr seicht und schnell über den Bergrücken daher, bevor in den Wald abzweigt und anfängt seinem Namen alle Ehre zu machen. Steinige, schnelle Passagen wechseln sich mit eingen Spitzkehren und Wurzelstufen ab und angekommen im Rumpelflow gehört der Trail zu einem der besten in Sospel.
Kurz vor der Örtchen Saint-Jean mündet der Trail wieder auf die Passstraße und ein kurzer Uphill von ca. 150 Höhenmeter hinauf zur Festung gilt es zu überwinden. Das Ende des Anstiegs wird von einer Schranke mit dem Hinweis „Sperrgebiet“ markiert und der Trail biegt in den Wald unterhalb der Festung ein.
Sehr exponiert geht es vorerst am Hang entlang bevor der Trail dann merklich seinen Charakter ändert. Da Steil bekanntlich geil ist, kommen wir aus dem Grinsen nicht mehr hinaus und unzählige große Stufen und lose Steinen verlangen so manch eine Liegestütze auf dem Lenker. Wer auf typisch französische Trails steht wird hier nicht enttäuscht, jedoch sollten sich Biker mit nicht fortgeschrittenen Fähigkeiten eventuell einen leichteren Trail ins Tal suchen.
Kurz oberhalb von Sospel endet die Rüttelpartie dann auf dem letzten Teil eines gebauten Downhill Trails, welcher uns auf seichterem Terrrain zurück in den Ort bringt. Dort angekommen tauschen wir noch schnell Kontaktdaten mit Nick aus und wir machen uns auf die kurze Reise nach Finale.
Viele Wege führe nach Finale – der Bonus Trail
Von unserem Trailguide Freund Pete bekommen wir noch den heißen Tipp, dass wir auf unserer Fahrt nach Finale eine alternative Route wählen sollen und seiner Meinung nach einen der besten Trails der Region nicht verpassen dürfen.
Nach einer halben Stunde Fahrt zurück nach Italien erreichen wir einen großen Parkplatz vor einem netten Cafe und laden die Bikes für einen weiteren Run ab. Die Beine sind von den rund 1000 Höhenmetern schon recht müde und das Cafe sieht fast schon zu verlockend aus und wir können uns nur mit Mühe und Not überwinden die Straße hinauf zum Trailanstieg in Angriff zu nehmen.
Nach den ersten 100 Höhenmeter mit durchgehend 100% Steigung fragen wir uns ob das es die Mühen in den sommerlichen Temperaturen überhaupt wert ist?! Oben angekommen genießen wir noch den Ausblick auf das nicht weit entfernte Mittelmeer und wieder geht es in der warmen Abendsonne gen Tal.
Auch hier fängt der Trail auf einem Rücken an, aber es geht direkt steil, lose und mit großen Stufen los. Schnell baut man eine hohe Geschwindigkeit auf und die frisch angelegten Catchberms sind gern gesehen.
Der Trail behält auf seiner gesamten Länge den anspruchsvollen Charakter, schlängelt sich aber immer wieder mit gebauten Passagen von links nach rechts auf dem Rücken dahin. Im letzten Teil wird es dann noch mal wirklich sehr, sehr steil und ungeübte Fahrer sollten hier vielleicht drüber nachdenken das Rad zu schieben.
Im Tal angekommen statten wir endlich dem netten Cafe einen Besuch ab und lassen es uns bei Bier und Snacks noch kurz gut gehen bevor dann eine „harte“ Arbeitswoche in Finale auf uns wartet.
Fazit
Wer mal über den ligurischen Tellerrand hinausschauen möchte, dem ist für 2-3 Tage die Region rund um Sospel einschränkungsfrei zu empfehlen. Natürliche Trails, gespickt mit gebauten Elementen lassen hier schnell echten Trailgenuss aufkommen, insbeosndere für Biker die sich auf Trails wie in Final zu Hause fühlen. Das gut ausgebaute Straßennetz lädt zum Treten ein. Sollte man aber Lust bekommen sich bequem per Shuttle auf die umliegenden Berge bringen zu lassen oder einfach nur mehr Tiefenmeter sammeln mag, dem empfiehlt sich bei Cool Bus anzufragen und eine Shuttle Tour in der Region zu buchen.
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