Spotcheck: Elba
Traumhafte Buchten und feinste mediterrane Trails
Als ich in Innsbruck mein Fahrrad ins Auto lade, habe ich keinen blassen Schimmer was mich die kommende Woche erwarten würde, geschweige denn wo genau wir eigentlich hinfahren. „Mal nicht Finale, sondern Elba!“ Ganz spontan konnte ich es mir zwar zeitlich einrichten mitzukommen, für eine kurze Recherche zu unserem Reiseziel hat es allerdings nicht mehr gereicht. Nach sechseinhalb Stunden Autofahrt (jetzt wäre man bereits in Finale…) bei 33 Grad Außentemperatur und defekter Klimaanlage ist die Verlockung groß in Massa Carrara unsere Ankunft am Ziel zu verkünden und das scheinbar grenzenlose Trailnetz der Toskana unter die Stollen zu nehmen.
Ob sich die Extrakilometer zum kleinen Fährhafen und die einstündige Überfahrt auf die rund zehn Kilometer vom Festland entfernte Insel lohnen? „Lohnt sich aber sowas von!“ tönt Fabi, unser Filmer von der Rücksitzbank und hält mir eines dieser klassischen„Biken auf Insel mit Meerblick“ Bildern unter die Nase. Er war als einziger bereits auf Elba unterwegs und darf seinen gewissen „Heimvorteil“ jetzt als inoffizieller Reiseleiter ausleben. Seine Reisegruppe? Das sind Liz, Debo, Konsti und meine Wenigkeit Max.
In Portoferraio, einem von zwei Fährhafen auf der Insel, angekommen decken wir uns im örtlichen Mercato erst einmal mit allerlei frischem Obst und Gemüse, Pasta, noch mehr Pasta und einer Ladung Birra Moretti ein, ehe wir uns auf die Suche nach unserer Ferienwohnung machen. „Suche“ ist dabei wörtlich gemeint, denn sowohl die Anfahrtsbeschreibung unserer Gastgeberin, als auch Straßenname und -nummer sowie Google Maps lassen uns in dem Wirrwarr kleiner, schlecht ausgebauter Straßen schnell verzweifeln. Doch Anna, die Putzfrau identifiziert unsere ratlosen Gesichter nach gut einer Stunde Sucherei am Wegesrand und führt uns schlussendlich zu unserer Unterkunft an der Südküste. Molto italiano.. e Grazie Anna
Hang loose, hold tight!
Nach der langen Autofahrt juckt esunsnatürlich in den Haxen und wir beschließen noch am späten Nachmittag einen Trail zu erkunden, den Fabials „Besten Trail der Insel“ in Erinnerung hat und somit gleichmal die Messlatte hochlegt. Von Magazzini aus geht es über eine gutasphaltierte Straße im nordöstlichen Teil der Insel in einen Sattel zwischen Monte Capanellound Cima del Monte. Letztgenannter ist nicht nur unser Traileinstieg, sondern auch ein Testpiece in Sachen Hill Climb: Wer die grobschottrige Auffahrt am Rücken mitgefühlten 45% Steigung aus eigener Kraft durchtritt, möge sich bitte melden und seinen Kasten Bier abholen. Wir schieben und kommen dabei auch mächtig ins Schnaufen. Am Gipfel angekommen erwartet uns der allumworbene Inselmoment: 360° Meerblick, kleine Buchten und Bergdörfer in allen Himmelsrichtung. Die untergehende Sonne taucht alles in einen goldrötlichen Glanz und eine Duftmischung aus Ziegenherde und Minze liegt in der Luft. Ja, das kommt dem Foto auf der Autofahrt doch schon mal sehr, sehr nahe!
Zurück auf den Bikes, reißt der fordernde Trail bereits auf den ersten Meternunsere volle Aufmerksamkeit an sich und zwingt den Blick auf die wenigen Meter vor uns, zaubert uns aber zu gleich ein freches Grinsen ins Gesicht. In weiten Kehren cruisen wir über den freien Rücken, ehe der Trail an einer Steilstufe die Gangart wechselt. Hier wird es steiler, steiniger und der Bremshebel will mit Feingefühl bedient werden. So haben wir uns Mountainbiken auf Elba vorgestellt! Als wir in den Wald eintauchen wird der Trail wieder gutmütiger, schneller und kurvenreicher.Da es in den vergangen Wochen kaum geregnet hat ist der sandige Boden staubtrocken und es lässt sich gar nicht verhindern, dass das Hinterrad ausbricht. Völlig stoked driften wir durch den dichten Wald bis uns der Trail fast auf Meereshöhe wieder auf dem Asphalt ausspuckt. Holy shit
Elba Centrale
Der Wilde Westen
Im Westen Elbas findet sich nicht nur mit dem 1019m hohen Monte Capanne der höchste Berg der Insel, sondern auch die einzige Seilbahn der Insel. Blöd nur, dass scheinbar alle Wege die von der Bergstation wegführen für den Normalsterblichen mit dem Mountainbike nicht befahrbar sind, weshalb wir uns für den„Troppolo Uphill“entscheiden. Erster Gang. Puls 175. Die Lunge brennt, das Herz klopft an die Schädeldecke. Nach der anfänglich entspannten Asphaltstraße nach Marciana entpuppt sich der Pilgerweg zur kleinen Kapelle Madonna del Monte unterhalb des Monte Giove als echter Leidensweg. Über betonierte Felsstufen zieht der Weg erbarmungslos steil den Hang hinauf und wir müssen schon ganz schön weit auf dem Sattel nach vorne rutschen, damit uns unsere Drahtesel nicht wie steigende Pferde abwerfen. Pure Anstrengung und kein hinterlistiges Grinsen in Fabis Gesichtszügen verrät, dass er diesen Uphill wohl nicht mehr am Schirm hatte…
Erst flach, dann abfallend, dann wieder zornig steil ansteigend wickelt sich der Weg um den Berg zum Einstieg des „Ilsemaforo“ Trail. Zu Deutsch: Ampel Trail. Ob der Name nun von den Farben der Landschaft aus roten Felsen, gelben Blüten des Heidegewächses und grünen Sträucher rührt, kann ich nur mutmaßen. Unsere Ampelsteht jedenfalls auf Rot und schaltet erst nach zwei Müsliriegeln und 500 Milliliter Wasser wieder auf Grün. Während wir im Uphill also insgeheim so machen E-Biker noch neidische Blicke zugeworfen haben, bin ich spätestens am Abzweig auf den „Colle d’Orano Trail“ froh keinen Akkupanzer gezielt ums Eck versetzen zu müssen. Lawless Liz ist auf dem seltener befahrenen und stark verwinkelten Weg nämlich in ihrem Element und gibt beim Spießrutenlauf zwischen fiesen Schaltwerkbeißern ihrem Ross ordentlich die Sporen. Heilige Madonna del Monte, das nenn ich mal echtes Oldschool Rodeo!
Auf den Trails der Tuscany Enduro Series
Am nächsten Tag machen wir uns auf die Sache nach etwas Entspannteren und werden auf der gegenüberliegenden Seite des Monte Capanne oberhalb von Marina di Campo fündig. Was ist besser als ein geiler Trail? Richtig! Ein komplettes Netz aus coolen Trails unterschiedlicher Couleur, das sich bequem über eine Asphaltstraße erreichen lässt. Klingt auch wieder nach Finale, ist aber tatsächlich Elba. Genauer gesagt die Ostseite des Masso alla Quata. Im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten der Insel ist man hier auf extra gebauten Strecken unterwegs, dementsprechend sind die Trails aufgeräumter und leichteren Varianten wie „Zucca1“ oder „Tozzicarletto“ eignen sich auch für Einsteiger hervorragend, sofern man einen Bogen um die Absprünge macht. Wer es etwas anspruchsvoller mag, findet mit „Black Forest“ eineschöne Alternative im Wald oder rumpelt über den „Sassi Ritti“ dessen Name „Stehende Steine“ schon den für Elba typischen felsigen Untergrund ankündigt.
Das beste kommt zum Schluss?
Für den letzten Tag haben wir uns den viel beworbenen Bike Park in Capoliveri im Südosten der Insel aufgehoben, dessen teils rötliche, eisenhaltige Erde der ehemaligen Mine uns an die karge Rampage Kulisse in Utah erinnert. Auf dem„Minere Trail“finden wir im oberen Teil ein paar Mini Freeride Lines die zum Spielen, Driften und Droppen einladen. Ansonsten hat das Gelände aber wirklich nichts mit einem Bikepark wie man es zum Beispiel aus den Alpen kennt zu tun. Viel mehr ist er eher ein Tipp für Cross Country Fahrer, die auf der „Legend Cup“ Strecke die komplette Landzunge auf Trails umrunden können. Als Enduristen empfinden wir die zahlreichen Gegenanstiege und Tretpassagen eher als lästig und übergeben an den Reiseleiter, der uns schnurstracks zur nächsten Pizzeria in die Altstadt führt.
Bei Pizza und Aperol wird es also Zeit für ein Fazit. Für wen ist Elba eine Reise wert? Ganz einfach – für jeden der Spaß am Mountainbiken hat! Allerdings ist für den fortgeschrittenen Enduro-Fahrer deutlich mehr geboten. Mit einem vielfältigen Trailangebot, wunderschönen Landschaften, italienischen Lebensgefühl und kleinen Buchten und Stränden hat uns Elba überzeugt, nein viel mehr zum neuen Lieblings Bikerevier am Mittelmeer gemausert. Die lange Anreise zu dieser kleinen Insel lohnt also alle mal!
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!